ERSTE LIEBE -  ohne happy end  

© Gerlinde Pauschenwein 

Alfred, ein blonder, schlanker Jüngling war meine erste große Liebe. Ich war sechzehn, als ich mich in die schönsten tiefblauen Augen dieser Welt verliebte.

Wir wuchsen in einem burgenländischen Dorf, im kleinbürgerlich - konservativen Milieu auf. Ich wohlbehütet! Das bedeutete, in ein Korsett traditionell-katholischer Sexualmoral gezwängt zu sein, die voreheliche Keuschheit war in den 60er und 70erJahren des vorigen Jahrhunderts oberstes Gebot. Alfred musste sich mit heimlichem Treffs, Händchenhalten und zaghaften Küssen zufrieden geben. Die aufkeimende Leidenschaft wollten wir allen Ernstes bis zur Eheschließung, nach dem geplanten Studium, unterdrücken.

Unsere Eltern waren befreundet, feierten mit vier weiteren Ehepaaren Partys in ihren großen Häusern und Gärten, oder machten gemeinsame Wanderungen zur Burg Forchtenstein.  Daher hatte sich auch unter uns Jugendlichen eine nette Clique gebildet. Im Dorf galten wir als "die Großkopferten", weil wir das Gymnasium besuchten, damals noch eine Seltenheit.

Es war die Zeit Mitte bis Ende der 60er, als im Geschichtsunterricht der 2. Weltkrieg, Hitler und Hakenkreuz ausgegrenzt waren und wir Jugendlichen keine Ahnung von den geschichtlichen Hintergründen des Krieges hatten. Natürlich wurde mir von Mutter über mache Gräueltat der Russen berichtet, wie sie als junges Mädchen von ihrer Mutter im Heuboden versteckt wurde. Auch von Vergewaltigungen und >Russenkindern< im Dorf erzählte sie. Oder davon, dass ihr Onkel Johann, ein christlich-sozialer Landtagsabgeordneter nach der Machtübernahme der Nazis 1938 mehrmals aus politischen Gründen verhaftet wurde.  Hintergründe dazu erzählte sie nicht, mir war nur klar, dass DIE NAZIS ein rotes Tuch in unserer Großfamilie waren.

Alfreds 18. Geburtstag wurde mit einer Sommerparty im Garten seiner Eltern gefeiert. Verliebt tanzten wir in einem eigenen Raum zu den Klängen der neuesten Hits, allen voran >Ganz in Weiß< , >Love is in the Air< und >Ti amo<.

An diesem Abend wurde unsere Liebe abrupt durch einen Eklat beendet. Kurz vor Mitternacht lockte Alfreds älterer Bruder Helmut alle Gäste mit dem Versprechen einer großen Überraschung auf die Terrasse in den ersten Stock. Ein herrlicher Sternenhimmel war zu sehen. Ohne Vorwarnung schaltete Helmut einen Flutscheinwerfer ein.

Die Erwachsenen blickten voller Entsetzen auf das etwa 5x5m große Hakenkreuz, das in die Rasenfläche direkt unter der Terrasse gemäht worden war. Neben der Balkontüre lehnte eine Hakenkreuzfahne, ein Hitlerbild war auf einem Podest aufgestellt - für mich nichtssagende Exponate.

Helmut, der mich ebenfalls umwarb, aber einen Korb erhalten hatte, wusste sehr genau, welche Folgen diese Provokation auslösen würde.

Mutter schrie wütend, ihre Tochter werde nie wieder dieses Haus betreten, sie zog mich an der Hand vom ersten Stock die Stiegen hinunter und eilte grußlos aus dem Haus. Vater und einige andere Gäste schritten betroffen und verwirrt hinterher. Die Situation war dramatisch. Ich begriff nicht, was passiert war.

Es kam zum unvermeidlichen Bruch zwischen den Familien, ich durfte Alfred nicht mehr treffen. Vater erklärte mir, ein Schwiegersohn, im Geiste Hitlers erzogen, käme nie in Frage.

Wenige Monate nach der Matura verließ Alfred Österreich und studierte im Ausland. Vor seiner Abreise trafen wir uns noch einmal zu einem tränenreichen Abschied.

Unsere tiefe seelische Verbundenheit hat im Laufe der Jahre, bis zu Alfreds frühen Tod, zu unerwarteten Ereignissen geführt. Eines davon ist in der nächsten Geschichte festgehalten. 

 Ich habe dieser unerfüllten Liebe ein Leben lang nachgetrauert