© Gerlinde Pauschenwein
Erotische Spannung lag in der Luft, als wir einander an jenem Sonntag im August in Gmunden trafen. Nach wochenlangem, intensiven Mail-und Telefonkontakt hatte ich mich in Chris auf Grund seiner Offenheit, seines Intellektes und der lyrischen Mails verliebt. Seit dem ersten Kuss auf der Traunbrücke stand ich in Flammen. Mein wichtiger Termin am Montag verhinderte eine gemeinsame Nacht in Gmunden. Kurzentschlossen begleitete mich Chris, der mit dem Zug angereist war, nach Wien.
„Anna! Worauf sollen wir warten? Niemals zuvor habe ich meine Seele so offengelegt. Du kennst Facetten meines Ichs, die ich selbst in dieser Tiefe bisher nicht kannte. Durch die Gespräche mit Dir kam Vergangenes ins Bewusstsein. Ich fühle mich Dir innig verbunden. Ich spüre, es wird gut gehen." Sanft strich Chris über mein Haar. Ich musste mich auf den Rückreiseverkehr konzentrieren, verliebt lächelte ich ihn an: "Chris, auch ich bin davon überzeugt."
"Bedenke: Unsere Lebensuhr tickt unaufhaltsam, dies müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir an der Schwelle zum unvermeidlichen Abend des Lebens stehen. Jeder Tag zählt!"
„Ach Chris, fünfzig Jahre sind kein Alter, mit 70 kannst du so denken. Glaube daran, ab heute wird das Licht des Abends für uns eine glückverheißende Morgenröte.“
„Anna, wir kennen nicht die reale Ablaufzeit des Lebens. Für mich hat die Nachsaison begonnen, das spüre ich."
Die Gespräche, die lange Autofahrt hatten uns müde gemacht. Es war spät geworden, so beschlossen wir, uns diese prickelnd-erotische Spannung bis Freitag zu erhalten. Entspannt wollten wir uns viel Zeit für diese neue Liebe geben. Die Sehnsucht war übergroß, als Chris mich am Freitag in die Arme nahm.
Träume wurden wahr. Wie ein Crescendo, mit weit auslaufenden, stufenförmig sich aufbauenden, immer enger als Spirale auf den Höhepunkt zusteuernder Reigen, bis zum Schrei unserer Namen...
Erfüllung! Wie lange hatten wir beide nicht mehr mit dieser Intensität Lust und Leidenschaft empfunden.
Als Chris am Montag Morgen vom Taxi abgeholt wurde, wussten wir, diese Liebe ist von Dauer.
Auf meinem Kopfpolster fand ich ein gelbes Post-it: >Diotima, du mein Glück! Eine Liebe für Körper, Seele, Geist.<
Ich schickte Chris ein SMS mit dem Hölderlin Zitat:>O, ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt... Danke für diese unvergesslich gefühlvoll leidenschaftlichen Nächte und die Tage voll Zärtlichkeit und intensiven Gesprächen!<
Seine Antwort kam nach wenigen Minuten: >Ich muss mich erst wieder ans Leben gewöhnen. Da glüht eine Leidenschaft, die mich berauscht. Du hast den Mantel der Distanziertheit abgelegt, der Konturen von dir verdeckt hielt. Welch unerwarteter Vulkanausbruch! Ich bin ganz benommen von diesen Nächten! Auch bin ich neugierig, wie wir diesen Hurrikan der Liebe durch Herbst, Winter und den Alltag tragen werden. Ich mag dich sehr!<
Nähe und Distanz hielten sich die Waage, Zusammenleben war kein Thema.
Späte Liebe - ein GESCHENK des Schicksals - welch ein Glück!